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  2. % Mitschrieb vom 09.01.2014 %
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  4. \chapter{Euklidische und Nichteuklidische Geometrie}
  5. \section{Axiome für die euklidische Ebene}
  6. Axiome\xindex{Axiom} bilden die Grundbausteine jeder mathematischen Theorie. Eine
  7. Sammlung aus Axiomen nennt man Axiomensystem\xindex{Axiomensystem}.
  8. Da der Begriff des Axiomensystems so grundlegend ist, hat man auch
  9. ein paar sehr grundlegende Vorderungen an ihn: Axiomensysteme sollen
  10. \textbf{widerspruchsfrei} sein, die Axiome sollen möglichst
  11. \textbf{unabhängig} sein und \textbf{Vollständigkeit} wäre auch toll.
  12. Mit Unabhängigkeit ist gemeint, dass kein Axiom sich aus einem anderem
  13. herleiten lässt. Dies scheint auf den ersten Blick eine einfache
  14. Eigenschaft zu sein. Auf den zweiten Blick muss man jedoch einsehen,
  15. dass das Parallelenproblem, also die Frage ob das Parallelenaxiom
  16. unabhängig von den restlichen Axiomen ist, über 2000 Jahre nicht
  17. gelöst wurde. Ein ganz anderes Kaliber ist die Frage nach der
  18. Vollständigkeit. Ein Axiomensystem gilt als Vollständig, wenn
  19. jede Aussage innerhalb des Systems verifizierbar oder falsifizierbar
  20. ist. Interessant ist hierbei der Gödelsche Unvollständigkeitssatz,
  21. der z.~B. für die Arithmetik beweist, dass nicht alle Aussagen
  22. formal bewiesen oder wiederlegt werden können.
  23. Kehren wir nun jedoch zurück zur Geometrie. Euklid hat in seiner
  24. Abhandlung \enquote{Die Elemente} ein Axiomensystem für die Geometrie
  25. aufgestellt.
  26. \textbf{Euklids Axiome}
  27. \begin{itemize}
  28. \item \textbf{Strecke} zwischen je zwei Punkten
  29. \item Jede Strecke bestimmt genau eine \textbf{Gerade}
  30. \item \textbf{Kreis} (um jeden Punkt mit jedem Radius)
  31. \item Je zwei rechte Winkel sind gleich (Isometrie, Bewegung)
  32. \item Parallelenaxiom: Euklid:\\
  33. Wird eine Gerade so von zwei Geraden geschnitten, dass die
  34. Summe der Innenwinkel zwei Rechte ist, dann schneiden sich
  35. diese Geraden auf der Seite dieser Winkel.
  36. \todo[inline]{Bild}
  37. Man mache sich klar, dass das nur dann nicht der Fall ist,
  38. wenn beide Geraden parallel sind und senkrecht auf die erste stehen.
  39. \end{itemize}
  40. \begin{definition}\xindex{Ebene!euklidische}%In Vorlesung: Definition 14.2
  41. Eine \textbf{euklidische Ebene} ist ein metrischer Raum $(X,d)$
  42. zusammen mit einer Teilmenge $G \subseteq \powerset{X}$, sodass die
  43. Axiome~\ref{axiom:1}~-~\ref{axiom:4} erfüllt sind:
  44. \begin{enumerate}[label=§\arabic*),ref=§\arabic*]
  45. \item \enquote{Inzidenzaxiome}:\label{axiom:1}
  46. \begin{enumerate}[label=(\roman*),ref=\theenumi{} (\roman*)]
  47. \item Zu $P \neq Q \in X$ gibt es genau ein $g \in G$ mit
  48. $\Set{P, Q} \subseteq g$.
  49. \item $|g| \geq 2 \;\;\; \forall g \in G$
  50. \item $X \in G$
  51. \end{enumerate}
  52. \item \enquote{Abstandsaxiom}: Zu $P, Q, R \in X$ gibt es \label{axiom:2}
  53. genau dann ein $g \in G$ mit $\Set{P, Q, R} \subseteq g$,
  54. wenn gilt:
  55. \begin{itemize}[]
  56. \item $d(P, R) = d(P, Q) + d(Q, R)$ oder
  57. \item $d(P, Q) = d(P, R) + d(R, Q)$ oder
  58. \item $d(Q, R) = d(Q, P) + d(P, R)$
  59. \end{itemize}
  60. \end{enumerate}
  61. \end{definition}
  62. \begin{definition}
  63. \begin{enumerate}[label=\alph*)]
  64. \item $P, Q, R$ liegen \textbf{kolinear}\xindex{kolinear},
  65. wenn es $g \in G$ gibt mit $\Set{P, Q, R} \subseteq g$.
  66. \item $Q$ \textbf{liegt zwischen}\xindex{liegt zwischen} $P$
  67. und $R$, wenn $d(P, R) = d(P, Q) + d(Q, R)$
  68. \item \textbf{Strecke}\xindex{Strecke} $\overline{PR} := \Set{Q \in X | Q \text{ liegt zwischen } P \text{ und } R}$
  69. \item \textbf{Halbgeraden}\xindex{Halbgerade}:\\
  70. $PR^+ := \Set{Q \in X | Q \text{ liegt zwischen } P \text{ und } R \text{ oder } R \text{ liegt zwischen } P \text{ und } Q}$\\
  71. $PR^- := \Set{Q \in X | P \text{ liegt zwischen } Q \text{ und } R}$\\
  72. \end{enumerate}
  73. \end{definition}
  74. \begin{korollar}
  75. \begin{enumerate}[label=(\roman*)]
  76. \item $PR^+ \cup PR^- = PR$
  77. \item $PR^+ \cap PR^- = \Set{P}$
  78. \end{enumerate}
  79. \end{korollar}
  80. \begin{beweis}\leavevmode
  81. \begin{enumerate}[label=(\roman*)]
  82. \item \enquote{$\subseteq$} folgt direkt aus der Definition von $PR^+$ und $PR^-$\\
  83. \enquote{$\supseteq$}: Sei $Q \in PR \Rightarrow P, Q, R$
  84. sind kolinear.\\
  85. $\stackrel{\ref{axiom:2}}{\Rightarrow}
  86. \begin{cases}
  87. Q \text{ liegt zwischen } P \text{ und } R \Rightarrow Q \in PR\\
  88. R \text{ liegt zwischen } P \text{ und } Q \Rightarrow Q \in PR\\
  89. P \text{ liegt zwischen } Q \text{ und } R \Rightarrow Q \in PR
  90. \end{cases}$
  91. \item \enquote{$\supseteq$} ist offensichtlich\\
  92. \enquote{$\subseteq$}: Sei $PR^+ \cap PR^-$. Dann ist
  93. $d(Q,R) = d(P,Q) + d(P,R)$ weil $Q \in PR^-$ und
  94. \begin{align*}
  95. &\left \{ \begin{array}{l}
  96. d(P,R) = d(P,Q) + d(Q,R) \text{ oder }\\
  97. d(P,Q) = d(P,R) + d(R,Q)
  98. \end{array} \right \}\\
  99. &\Rightarrow d(Q,R) = 2d(P,Q) + d(Q,R)\\
  100. &\Rightarrow d(P,Q) = 0\\
  101. &\Rightarrow P=Q\\
  102. &d(P,Q) = 2d(P,R) + d(P,Q)\\
  103. &\Rightarrow P=R\\
  104. &\Rightarrow \text{Widerspruch}
  105. \end{align*}
  106. \end{enumerate}
  107. \end{beweis}
  108. \begin{definition}
  109. \begin{enumerate}[label=§\arabic*),ref=§\arabic*,start=3]
  110. \item \enquote{Anordnungsaxiom}\label{axiom:3}
  111. \begin{enumerate}[label=(\roman*),ref=§\theenumi{} (\roman*)]
  112. \item Zu jedem $P \in X$ jeder Halbgerade $H$ mit \label{axiom:3.1}
  113. Anfangspunkt $P$ und jedem $r \in \mdr_{\geq 0}$
  114. gibt es genau ein $Q \in H$ mit $d(P,Q) = r$.
  115. \item Jede Gerade zerlegt $X \setminus g = H_1 \dcup H_2$
  116. in zwei nichtleere Teilmengen $H_1, H_2$.
  117. (Diese Teilmengen heißen \textbf{Halbebenen}\xindex{Halbebene} bzgl. $g$),
  118. sodass für alle $A \in H_i$, $B \in H_j$
  119. $(i,j \in \Set{1,2})$ gilt: $\overline{AB} \cap g \neq \emptyset \Leftrightarrow i \neq j$
  120. \end{enumerate}
  121. \item \enquote{Bewegungsaxiome}: Zu $P, Q, P', Q' \in X$\label{axiom:4}
  122. mit $d(P,Q) = d(P', Q')$. Isometrien $\varphi_1, \varphi_2$
  123. mit $\varphi_i (P) = P'$ und $\varpi_i(Q) = Q', i=1,2$
  124. (Spiegelung an der Gerade durch $P$ und $Q$ ist nach
  125. Identifizierung von $P \cong P'$ und $Q \cong Q'$ eine
  126. weitere Isometrie.)
  127. \end{enumerate}
  128. \end{definition}
  129. \begin{proposition}%In Vorlesung: Satz 14.4
  130. Aus den Axiomen \ref{axiom:1}~-~\ref{axiom:3} folgt, dass es in
  131. den Situation \ref{axiom:4} höchstens zwei Isometrien mit
  132. $\varphi_i(P) = P'$ und $\varphi_i(Q) = Q'$ gibt.
  133. \end{proposition}
  134. \begin{beweis}
  135. Seien $\varphi_1, \varphi_2, \varphi_3$ Isometrien mit
  136. $\varphi_i(P) = P'$, $\varphi_i(Q) = Q'$, $i=1,2,3$
  137. \begin{behauptung}
  138. Es gibt $R \in PQ$ mit $\varphi_{A_i} (R) = \varphi_{Z_j} (R)$
  139. mit $i \neq j$.
  140. \Obda sei $i=1$ und $j=2$, also $\varphi_1(R) = \varphi_2(R)$.
  141. \end{behauptung}
  142. \begin{behauptung}
  143. Hat eine Isometrie $\varphi$ 3 Fixpunkte, die nicht kolinear sind,
  144. so ist $\varphi = \id_X$.
  145. Aus Beh. 1 und Beh. 2 folgt, dass $\varphi_2^{-1} \circ \varphi_1 = \id_X$,
  146. also $\varphi_2 = \varphi_1$.
  147. \end{behauptung}
  148. \begin{beweis}\leavevmode
  149. \begin{behauptung}
  150. Sind $P \neq Q$ Fixpunkte einer Isometrie, so ist
  151. $\varphi(R) = R$ für jedes $R \in PQ$.
  152. \end{behauptung}
  153. \begin{beweis}
  154. Es ist $\varphi(PQ) = \varphi(P) \varphi(Q)$ weil $\varphi$
  155. wegen \ref{axiom:2} kolinearität erhält.
  156. Sei nun $R \in PQ$. Dann ist $d(P, \varphi(R)) \stackrel{P \text{ ist Fixpunkt}}{=} d(\varphi(P), \varphi(R)) = d(P, R)$.
  157. Weiter ist $\varphi (PQ^+) = \varphi(P) \varphi(Q)^+ = PQ^+$
  158. $\stackrel{\ref{axiom:3.1}}{\Rightarrow} R = \varphi(R)$
  159. \end{beweis}
  160. \end{beweis}
  161. \end{beweis}